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Wahlkreis Ostallgäu - Landkreis Unterallgäu - Markt Tussenhausen
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Kurzvorstellung des Buches:

Kaiserbesitz, Residenzort, moderner Markt - Die Ortsgeschichte des Marktes Tussenhausen

© Dr. Gabriele von Trauchburg

 

Wirtschaftsprobleme und Wirtschaftsförderung im Markt Tussenhausen im Zeitraum von 550 Jahren -

Vortrag zur Buchpräsentation am 8.Dezember 2002

 

Meine Damen und Herren,

Als ich vor gut 1½ Jahren zum erstenmal hier in Tussenhausen war, hatte ich zwar schon eine wage Ahnung, worauf ich mich bei diesem Buchprojekt einlassen würde, doch muss ich gestehen, dass ich damals stark von den im Publikum vorhandenen historischen Kenntnissen der Teilnehmern vom damaligen Zusammentreffen beeindruckt war. Dieses Wissen basierte auf den im Arbeitskreis Geschichte zusammengetragenen, in Ordnern abgelegten und auf Disketten gesicherten Daten und Fakten, die ich dann später benutzen konnte.

 

Dankadressen

An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich bei der Arbeit unterstützt haben: zuallererst bei Herrn Bürgermeister Fleck und dem gesamten Team der Marktgemeindeverwaltung. Dann beim Arbeitskreis Geschichte mit allen seinen Mitgliedern, und besonders bei meinem Kontaktmann Herr Hubert Benz, der immer mit Rat und Tat zur Stelle war und für mich sämtliche notwendigen Kontakte herstellte. Dann bei allen Vereinsvorständen, denn nur ihrer Mitarbeit ist es zu verdanken, dass die Geschichte der Vereine einen so ausführlichen, in die Marktgeschichte eingebundenen Teil im Buch einnehmen konnte.

Für jeden Forscher ist es außerdem ein Glücksfall, wenn sich ein großer Bestand an Schriftstücken jeder Art erhalten hat. Gott sei Dank ist dies für Tussenhausen der Fall. Man findet diese Archivalien im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, im Staatsarchiv Augsburg, im Augsburger Bistumsarchiv, aber auch vor Ort im Pfarr- und Gemeindearchiv. Alle diese reichlich vorhandenen Primärquellen sowie die Forschungsliteratur erlaubten es, eine Ortsgeschichte zu schreiben.

 

Ortsgeschichte oder Ortschronik

Eine Ortsgeschichte ist mehr als eine Ortschronik, denn die Ortschronik besteht nur aus zeitlich geordnetem Material. Eine Ortsgeschichte wird erst dann aus diesem zusammengetragenen Material, wenn man es in den zeitlichen und regionalen Rahmen mit allen seinen Ereignissen und Strukturen einbettet. Nur mit dieser Vorgehensweise kann man gesicherte Rückschlüsse ziehen und weiterführende Entwicklungen aufzeigen.

In den letzten Jahren zeigte sich immer mehr, dass es nicht mehr ausreichend ist, wenn ein Autor einen ausführlichen Text verfasst, ein paar Abbildungen dazu liefert und anschließlich das Werk seinen Weg in die Druckerei findet. Das Publikum ist durch die Medien und den Computer anspruchsvoller geworden. Heutzutage sollte man vielfältige, abwechslungsreiche Abbildungen möglichst auf jeder Seite bieten, dazu den Text kurzweilig gestalten, aber dennoch wissenschaftlich - das heißt nach gültigen Forschungsmethoden korrekt - arbeiten. Diese Ansprüche gleichzeitig umzusetzen, das gelang mit Hilfe von Herrn Volker Jackscha. In mehreren Gesprächen formulierte er Anregungen, die ich aufgreifen und in unterschiedlichstem Material vorbereiten konnte. Herr Jackscha seinerseits brachte dann dieses Material in Form, so dass wir heute ein reichhaltig bebildertes Buch in Händen halten können. Auch Ihnen einen herzlichen Dank für die sehr anregende Zusammenarbeit.

 

Zum Thema des Vortrages

Ist das Werk einmal fertig, dann muss es auch gebührend der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zu diesem Zweck bereitet man als Autor einen Vortrag vor. Das entsprechende Thema sollte natürlich in enger Verbindung mit dem Buch stehen. Gleichzeitig bietet so ein Vortrag die Möglichkeit, künftige Leser mit dem Buch vertraut zu machen, indem man einige Passagen daraus liest.

Für das heutige Werk ergibt sich dabei die Qual der Wahl. Die Tussenhausener Geschichte ist von derartig vielfältigen Facetten - Siedlungs-, Herrschafts-, Ereignis-, Kirchen- und Wirtschaftsgeschichte - geprägt, dass eine Auswahl schwerfällt. Mir sind jedoch im Laufe der Recherchen einige Ereignisse aufgefallen, die es erlauben, über mehr als 550 Jahre die Tussenhausener Geschichte vor allem unter einem Gesichtspunkt zu verfolgen. Es geht dabei um ein unfreiwillig aktuelles Thema, um Wirtschaftsprobleme und Wirtschaftsförderung im weitesten Sinne.

 

Die Markterhebung von 1455

Erstmals für die Tussenhausener Geschichte deutlich greifbar wird dieser Themenbereich in der Zeit der Markterhebung im Jahre 1455. Damals erhielt der damalige Inhaber der Herrschaft Angelberg, Wilhelm d.Ä. von Riedheim von Kaiser Friedrich III. eine Urkunde, die den zur Burg Angelberg gehörigen Ort Tussenhausen zu einem Markt erhob.

Gerade einmal 17 Jahre früher hatte Wilhelm d.Ä. nach dem Erwerb der Herrschaft Angelberg 1438 auf der hiesigen Feste seinen neuen Herrschaftsmittelpunkt errichtet. Wiederum 5 Jahre früher hatte er die Herrschaft Schwabegg, die damals von etwa Großaitingen im Norden bis Wiedergeltingen im Süden reichte, auf Wiederkauf in seine Hand gebracht. Obwohl doch ein Markt in der Herrschaft Schwabegg - also entlang der alten Reichsstraße - viel lukrativer als in dem etwas weiter abseits gelegenen Tussenhausen gewesen wäre, erbat sich Riedheim das Privileg für diesen Ort.

"Diese Entscheidung erscheint logisch, wenn man sich vor Augen führt, dass Wilhelm d.Ä. aufgrund des auf der Herrschaft Schwabegg liegenden Wiederkaufsrechts nie sicher sein konnte, wie lange seine Herrschaft darüber noch andauerte. Deshalb war sein Ziel, die Herrschaft Angelberg mit allen Mitteln zu stärken nur folgerichtig. Die wichtigste Maßnahme dabei war die Erhebung Tussenhausens zum Markt." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 30)

In den bisherigen Darstellungen dieses Vorgangs hat jeder einzelne Autor die in der Markterhebungsurkunde angesprochenen Verdienste des Wilhelm von Riedheim hervorgehoben. "Wir, Friderich, von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, ... bekennen und tun kund offenbar mit diesem Brief allen denen, die ihn sehen oder hören, lesen, dass wir angesehen und guttlich betrachtet haben solich Ehrbarkeit und Redlichkeit, die uns und des Reichs lieber Getreuer, Wilhelm von Riedheim, an ihm hat, und dazu auch die nützlichen und getreuen Dienste, die er uns und dem heiligen Reich oft und dick, williglich und unverdrossenlich hat getan und fürbas auch wohl tun mag und soll in künftig Zeitt." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 33)

Diese "getreuen Diensten" hielt bisher jeder Forscher für die eigentliche Ursache der Markterhebung, doch hat keiner dieser Autoren seiner Behauptung die erforderlichen Belege beigefügt. Gerade weil jedoch diese an so zentraler Stelle fehlen, muss man die aufgestellte These kritisch hinterfragen und auf diese Weise nach möglichen anderen Gründen für die Markterhebung suchen.

Vergleicht man das Tussenhausener Marktprivileg mit anderen Marktprivilegien, so erkennt man bald, dass auch alle anderen Marktherren wegen angeblich großer Verdienste ihr entsprechendes Marktprivileg erhalten haben - ja, man gewinnt den Eindruck, dass gewisse Textpassagen immer wieder verwendet wurden, im Zeitalter des Computer würde man sagen, man hat Textbausteine benutzt.

Bis in die Gegenwart wurde außerdem von der Forschung versäumt, die Größe und damit die Bedeutung von Tussenhausen zu jener Zeit genau unter die Lupe zu nehmen. Und hierin verbirgt sich erstaunliches. In der Kaufurkunde, die Wilhelm von Riedheim mit seinem Schwager Hans von Freyberg am 23. April 1438 geschlossen hatte, war der Umfang der Herrschaft Angelberg auf die gleichnamige Burg sowie das Dorf Tussenhausen mit seinen 10 Höfen, der Mühle und der Taferne festgelegt!!!

 

Damit erhebt sich die Frage, worin die tatsächliche Ursache für die Markterhebung liegt. Diese Frage lässt sich nur dann beantworten, wenn man die wirtschaftliche Lage um 1455 näher betrachtet. Die Markterhebung erfolgte in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeit. Damals herrschte ein starker Rückgang in der gesamten Bevölkerung infolge der seit der Mitte des 14. Jahrhunderts periodisch wiederkehrenden Pestwellen, es gab Probleme beim Absatz von überschüssigen landwirtschaftlichen Produkten und daraus resultierte schließlich die Verarmung von Untertanen und ihren Herrschaften.

"Die wirtschaftlich schlechte Lage in der Mitte des 15. Jahrhunderts muss auch Wilhelm d.Ä. getroffen haben. Vielleicht war sie sogar der Grund dafür, dass er durch eine Petition bei Kaiser Friedrich die Verleihung des Marktrechtes für den Ort Tussenhausen zu erlangen suchte. Dieses Streben erscheint umso bedeutsamer, wenn man bedenkt, dass Tussenhausen so kurz nach dem Kauf sicherlich nicht wesentlich mehr als die 12 in der Verkaufsurkunde von 1438 genannten Anwesen zählte.

Dennoch erreichte Wilhelm d.Ä. das von ihm angestrebte Ziel. Kaiser Friedrich gewährte ihm tatsächlich in einer Urkunde vom 6. Juni 1455 die Errichtung eines jeden Dienstag stattfindenden Wochenmarktes und einen Jahrmarkt am Tag vor St. Gallus (15. Oktober).

Bis zur Erhebung von Tussenhausen zum Markt mussten Handwerker und Bauern aus den nördlich und östlich von Tussenhausen gelegenen Orten deutlich große Strecken zu den nächstgelegenen Märkten zurücklegen. Auch für Händler lag der neue Markt recht günstig: in nur kurzer Distanz führten die Handelsstraßen von Augsburg in Richtung Süden bis nach Italien und von München in Richtung Memmingen und weiter nach Norden oder Süden vorbei. Die für den neuen Markt vorhandenen Gegebenheiten mussten also durchaus attraktiv wirken.

Und vor allem profitierte der Ort selbst vom Besuch der Tussenhausener Märkte durch Händler, Handwerker und Bauern. Sie benötigten zumindest feste und flüssige Verpflegung und vielleicht sogar Unterkunft. Dieses Angebot stellte die örtliche Taverne zur Verfügung, die unter direkter Kontrolle der Herrschaft stand und ihr damit zusätzliche Einnahmen verschaffte." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 32)

Ein Blick auf eine Karte zeigt außerdem, dass die Tussenhausen nächstgelegenen fünf, in einem Umkreis von 20 Kilometer entfernten Märkte fast ausschließlich nördlich, westlich oder südlich lagen. (Ortsgeschichte Tussenhausen, 32)

 

Der Markt im 16. Jahrhundert

Für die nächsten 70 Jahre fehlen schriftliche Nachrichten über die wirtschaftliche Entwicklung des jungen Marktes Tussenhausen. Als einen ersten Hinweis darf man mehrere Textstellen aus Chroniken über den Bauernkrieg werten. In einer heißt es wortwörtlich über den Herrschaftsinhaber von Tussenhausen: "dan er ain fast reicher Edelman ist..." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 54) - eine Aussage, die damals nicht gerade auf alle Adeligen zutraf.

Diese Beobachtung eines Zeitgenossen wird durch die Angaben im Besitzverzeichnis der Riedheim aus dem Jahre 1528 unterstützt. Innerhalb von 73 Jahren war die Anzahl der Häuser im Markt von den ursprünglichen 12 Höfen um weitere 67 Kleinbauernstellen angewachsen - und dieser beachtliche Anstieg erfolgt in einer Zeit, in der nur ein äußerst geringes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen war.

Ein weiteres Indiz für den Aufschwung des Tussenhausener Marktes wird am Ende der 1530er Jahre fassbar. Damals herrschte eine Phase der Hochkonjunktur - die Augsburger Handelshäuser beherrschten die Geld- und Warenmärkte in Europa. Gleichzeitig wurden die in der Region lebenden Juden von mehreren Herrschaften verfolgt. Gerade als der Druck auf Juden in den Reichsstädten Memmingen und Augsburg und in der Marktgrafschaft Burgau besonders ausgeprägt wurde, siedelten sich Juden in Tussenhausen mit herrschaftlicher Genehmigung an und gingen vom Markt aus ihren Geldgeschäften nach. Für die umliegenden Dörfer sind - zumindest bisher - keine jüdischen Besiedlungen bekannt.

Ein weiteres Mal kann der Erfolg der Markterhebung anhand der Besitzaufzeichnung von 1543 nachgewiesen werden. "Im Dorf selbst standen der Pfarr- oder Widdumhof, der Maierhof, die Mühle, die Schmiede und fünf weitere große Bauernhöfe. Diese Höfe mit einer Ackerfläche zwischen 23 und 37 Jauchert waren die Todfallabgabe schuldig. Dabei musste der Bauer, der diese Hofstelle innehatte, mit seinem Wegzug oder bei seinem Tod sein bestes Pferd der Herrschaft überlassen. Des weiteren war jeder Hof verpflichtet, das zu seiner eigenen Versorgung notwendige Sommer- und Wintergetreide wie auch Heu, Stroh und Mist als Vorrat im Hause zu haben, so wie der Bauer es bei seiner Ankunft vorgefunden hatte.

Bei der Taverne wurden die zusätzlich zu leistenden Abgaben vermerkt. Der damalige Wirt, Andreas Bauer, musste damals eine Fastnachtshenne, dann 3 Hühner für seinen Krautgarten und 6 Gulden als jährlichen Zins für die Taverne bezahlen. Wenn ein Wirt aus der Taverne verzog, hatte er 3 Gulden für das Verlassen und der neue Wirt 3 Gulden bei seiner Ankunft zu zahlen. Die Besitzstruktur der Taverne - bestehend aus Gebäude, Äcker und Wiesen - durfte nicht ohne Zustimmung der Herrschaft verändert werden. Auf der Taverne lag zudem ein Braurecht. Der Wirt musste deshalb von jedem Eimer selbstgebrautem Bier Schenk- und Umgeld - also Steuern - in Höhe von 25% der Einnahmen zahlen. Beim Wein wurde ebenfalls eine Verbrauchssteuer in Höhe von 17 % erhoben. Für die Branntweingerechtigkeit schuldete der Tafernwirt der Herrschaft jährlich die festgelegte Summe von 6 Gulden, egal ob er brannte oder nicht. Daneben besaß der Wirt auch eine Konzession zum Backen von Brot, das er in seiner Taverne zum Kauf anbot. Falls der Wirt dasjenige Nebengebäude, das an die Kirchenmauer angrenzte, vermietete, so wurde wiederum eine Abgabe fällig.

Im Jahre 1543 verzeichnete man in Tussenhausen 68 Sölden, also bäuerliche Kleinbetriebe. In einigen dieser Sölden waren zusätzlich verschiedene Handwerksbetriebe untergebracht. So finden sich Hinweise auf Bäcker, einen Wagner, einen Schneider, einen Bader, einen Metzger, einen Hafner, einen Jäger und den herrschaftlichen Untervogt." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 58)

Diese Güteraufstellung von 1543 erlaubt einige interessante Rückschlüsse zur Entwicklung von Tussenhausen innerhalb eines Zeitraumes von 100 Jahren. Im Jahre 1438 bestand der Ort Tussenhausen aus 12 Höfen, darunter die Taverne und die Mühle. Im Jahre 1528 war der Markt auf 12 Höfe und 67 Kleinbauernanwesen, sogenannte Sölden, angewachsen. Auch in der Güteraufstellung von 1543 kann man die ursprünglichen Höfe noch identifizieren, dann die Sölden, die inzwischen um eine angewachsen waren, und schließlich waren seit 1528 noch 22 sogenannte "Eingehausete und Pfrinder" (Ortsgeschichte Tussenhausen, 59) hinzugekommen. Mitte des 16. Jahrhunderts besaß der Markt Tussenhausen 102 Anwesen verschiedener Größe.

 

Ab den 1560er Jahren begannen sich im heutigen süddeutschen Raum gewaltige wirtschaftliche Probleme aufzuzeigen. Diese gingen auf mehrere Ursachen zurück: Zum einen versiegten seit den 1550er Jahren in Tirol die Bergschätze, mit denen vor allem Augsburger Kaufleute ein ungeheures Vermögen angehäuft hatten, zum zweiten hatten gerade diese Kaufleute in äußerst risikoreichen Finanzgeschäfte mit den europäischen Herrscherhäusern - wie dem Kaiser oder dem französischen König - investiert und durch mehrere Staatsbankrotte ihren Reichtum verloren, so dass auch die einheimische Wirtschaft - und hier vor allem die von den Augsburger Kaufleuten kontrollierte Textilwirtschaft - schwer unter diesen Umständen zu leiden hatte. Wiederum reagierte der entsprechende Angelberger Herrschaftsinhaber, nun war es Conrad III. von Riedheim.

"Nachdem Conrad III. die rechtliche Grundlage seiner Herrschaft durch die beiden vorgenannten Verträge abgesichert hatte, wandte er sich den wirtschaftlichen Belangen seiner Herrschaft zu. Wahrscheinlich noch zu Beginn des Jahres 1571 hatte sich Conrad von Riedheim an Kaiser Maximilian II. mit der Bitte gewandt, ihm zur besonderen Wohlfahrt und mererem Aufnemen desselben, ansonsten aber ohne Nachteil und Abbruch, sondern vielmehr den Nechstgesesnen zu guetem und fromen 3 underschiedlich Jarmärckht jarlich halten zu lassen, zuvergonnen und zuerlauben, und dieselben mit genuegsamen Fryhaiten zu fursehen gnediglich geruhen. Im Klartext bedeutet dies, daß Conrad III. um die Erweiterung des 1455 für Tussenhausen gewährten Marktprivilegs von einem auf drei Jahrmärkte nachsuchte.

Bevor der Kaiser eine Entscheidung fällte, bat er am 30. August 1571 den Abt von Ottobeuren um ein Gutachten über den zu erwartenden Nutzen für Tussenhausen und die eventuell entstehenden Schmälerungen von benachbarten Herrschaften. Der Ottobeurer Abt konnte offenbar keine Probleme im Zusammenhang mit einer möglichen Erweitung des Jahrmarktprivilegs erkennen, denn am 11. Januar 1572 unterzeichnete der Kaiser das neue Privileg und genehmigte die drei Jahrmärkte im Flecken Angelberg zu in solcher Weise festgelegten Zeiten, dass den im Umkreis von 3 deutschen Meilen (= ca. 22 km) umliegenden Städten und Märkten daraus tatsächlich kein Schaden erwuchs. Diejenigen Kaufleute und Handwerker, die die Tussenhausener Märkte besuchen wollten, durften nicht an ihrem Vorhaben gehindert werden. Es war nun die Aufgabe von Conrad III., die im Privileg nicht festgelegten Daten der Jahrmärkte so zu wählen, dass es hier zu keinen Überschneidungen mit den Terminen anderer Märkte im festgelegten Umkreis kam ...

Die neuen Tussenhausener Märkte mussten mit folgenden 13, innerhalb einer kreisrunden Zone von 3 deutschen Meilen konkurrieren: Thannhausen (1346), Krumbach (1386), Niederraunau (1495), Kirchheim (1490), Babenhausen (1315), Pfaffenhausen (1391), Oberschönegg (1507), Mindelheim (1256), Dirlewang (1400), Buchloe (1283), Waal (1444), Ziemetshausen (1516) und Schwabmünchen (um 1500).

Die Lage von Tussenhausen als Marktort besaß noch immer dieselbe Attraktivität wie beim ersten Privileg. Das Einzugsgebiet der Produzenten erstreckte sich auf die nördlich des Marktes gelegenen Stauden und in das Wertach-Tal zwischen Türkheim und Schwabmünchen. Die Märkte in Tussenhausen boten vor allem den Handwerkern die Möglichkeit, auf relativ kurzem Wege ihre Waren den Kaufleuten aus Mindelheim, Memmingen und Kaufbeuren anzubieten." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 60)

 

Der Markt im 17. Jahrhundert

In der Folgezeit gab es offenbar bis zum Ausbruch des 30jährigen Krieges keine weiteren wirtschaftlichen Probleme mehr. Nach dem Aussterben der männlichen Linie der Familie Riedheim zu Angelberg im Jahre 1618 bewirtschaftete das Kloster Kempten 10 Jahre lang die Herrschaft selbst. Seit dieser Zeit gibt es Rechnungsbücher, die es erlauben, wirtschaftliche Einzelheiten zum Markt hervorzuheben. Man erfährt, dass der eigentliche Reichtum der Herrschaft der Angelberger Forst darstellte, der als ganzes zu bewirtschaften und dennoch zu erhalten war. Des weiteren wurde in Tussenhausen erfolgreich Getreide - Kern, Veßen, Roggen, Haber - angebaut, das auf den heimischen und auf den Märkten der Umgebung zum Verkauf kam. Die Viehwirtschaft - Kühe, Schweine und Schafe - spielten eine untergeordnete Rolle, lukrativ war hingegen der Verkauf von Fischen aus den herrschaftlichen Teichen und von Geflügel, das die Untertanen im Frühjahr und im Herbst an ihre Herrschaft ablieferten. Insgesamt wiesen die herrschaftlichen Einnahmen im Jahre 1618 eine Gesamtsumme von 3810 fl 03 x 00 hl auf. Und was bedeutete dies für die gesamte Bilanz?

"Die Herrschaft Angelberg erzielte im Jahre 1618 nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen einen tatsächlichen Überschuss von 560 Gulden. Diese Summe konnte noch einmal dadurch verdoppelt werden, dass man noch ausstehenden Geldbeträge einzutreiben versuchte. Ebenfalls nicht in diese Bilanz eingerechnet waren die beachtlichen, nicht in Geldwert angegebenen Getreidevorräte im Schloss." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 82)

Diese erfolgreiche Bilanz wurde jedoch schon in den folgenden Jahren durch den 30jährigen Krieg zunichte gemacht. "Unter dem Begriff ‘30jähriger Krieg’, der aus religiösen und machtpolitischen Gründen geführt wurde, werden eine Reihe von Einzelkriegen zusammengefasst. Die eigentlichen Kriegshandlungen im Süden des Deutschen Reiches setzten erst verhältnismäßig spät mit der Schlacht von Alerheim 1632 ein. Doch litt die Bevölkerung schon viel früher unter den Auswirkungen dieses Krieges im weiteren Sinne. Als erstes musste die Bevölkerung eine starke Verteuerung der Lebensmittelpreise feststellen und durchmarschierende Soldaten ertragen. Diese Phänomene lassen sich deutlich in den herrschaftlichen Rechnungsbüchern ablesen.

Bereits für das Jahr 1621 ist - gegenüber dem Jahr 1618 - ein dramatischer Einbruch bei den herrschaftlichen Einnahmen zu verzeichnen. Hatten die Einnahmen im Jahre 1618 noch 3.810 Gulden und 3 Kreuzer betragen, so verzeichnete das Rechnungsbuch von 1621 nur noch 1.470 Gulden und 16 Kreuzer - also ein Rückgang um mehr als 65 % innerhalb von 2 Jahren. Doch selbst diese Summe auf der Einnahmen-Seite hatte nur deshalb erreicht werden können, weil die herrschaftliche Verwaltung den Zehnt aus Tussenhausen und Zaisertshofen für 847 Gulden hatte verkaufen können.

Die großen Einbußen lassen sich noch weiter konkretisieren. In diesem Jahr fanden nur noch zwei der drei Jahrmärkte an Pauli Bekenntnis (21. Januar) und an Peter und Paul (30. Juni) statt, der Markt um Allerheiligen fiel aus. Aus der Taverne und den Bierschenken im Ort floss keine Verbrauchersteuer, das sogenannte Umgeld, in die herrschaftlichen Kasse.

Eine der wichtigsten wirtschaftlichen Säulen der Herrschaft war bis dahin der Verkauf von Getreide gewesen. Tatsächlich konnte die herrschaftliche Verwaltung 7 Säcke Kern (3 Jahre zuvor 11 Säcke), 52 Säcke Roggen (3 Jahre zuvor 215 Säcke), 91 Säcke Hafer und Gerste (3 Jahre zuvor 105 Säcke) sowie 9 Säcke Gerste (zuvor keine Angaben) absetzen. Vergleicht man jedoch die aus dem Verkauf resultierenden Summen der Jahre 1618 und 1621, so ist in der Rubrik Getreide ein knapp 50 %iger Verlust zu verzeichnen.

 

Das Pestjahr 1628

Die schlimmsten Auswirkungen des Krieges sind für die beiden Jahre 1628 und 1629 zu verzeichnen. "Doch viel schlimmer als die Einquartierung der Soldaten wirkte sich die von ihnen eingeschleppte Pest aus. Deren Auswirkung in Tussenhausen fasste Langenegg zusammen, als er den Markt verlassen musste. Dabei verzichtete Langenegg auf eine Belohnung für seine Dienste, dann ich habe die Difficultät und Veluti Impossibilität (= Schwierigkeit und Zahlungsunfähigkeit) gesehen, dann 1628 300 Persohnen und 18 ohngefahr Peste hinweggestorben; dasselbig Jahr auch und ao 1629 das Hochgewitter schier alles im Veld verschlagen, zugeschweigen der anderen Kriegsangelegenheiten etc." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 88)

Die volle Bedeutung der hier genannten Schwierigkeiten treten in dieser Beschreibung aber noch nicht zutage: Die Hälfte der Dorfbevölkerung war verstorben. Die überlebende andere Hälfte verarmte aufgrund von Plünderungen, durch die zusätzlichen Belastungen der Einquartierungen und durch die Zerstörung der Ernte nach heftigen Gewittern. Weil die Untertanen verarmten, erlitten auch die herrschaftlichen Einnahmen einen Zusammenbruch - das wirtschaftliche Leben kam vollständig zum Erliegen.

"Die einzelnen Rubriken des Rechnungsbuches von 1634-1635 offenbaren einige interessante Details. Mangel herrschte allenthalben - es gab keine Fische, keinen Wein und kein Bier, außerdem fand kein einziger der drei Jahrmärkte statt. Wegen des allgemein herrschenden Mangels wussten sich drei blutarme Frauen nicht anders mehr als durch Diebstahl von Getreide zu helfen. Gab es vor dem Krieg Geflügel und Eier im Übermaß, so konnten 1635 die Untertanen kein einziges Tier oder Ei als Abgabe an die Herrschaft abliefern, weil ihnen alles von Soldaten weggenommen worden war. Andererseits fanden selbst vorhandene Produkte kaum Abnehmer. Heu und Stroh blieben in den herrschaftlichen Vorratskammern liegen. Kraut wurde nur für den Eigenbedarf in Fässer eingelegt.

Es scheint, dass jedoch der Anbau von Getreide im Jahre 1635 hatte durchgeführt werden können. Das Rechnungsbuch weißt sogar eine minimale Menge an verkauftem Getreide aus. Dieser scheinbare Wiederspruch zu den bisherigen Beobachtungen erklärt sich dadurch, dass Frondienste wie Saat und Ernte, die die Untertanen auch in Kriegszeiten regelmäßig leisten mussten, unter schwedischem Schutz hatten durchgeführt werden müssen."

Im weiteren Verlauf des Krieges waren mehrere Anwesen im Dorf zerstört und die Burg schwer beschädigt worden. Was zunächst mit negativem Vorzeichen vermerkt wird, bildete nun eine Möglichkeit, den Marktbewohnern zu einem neuen Einkommen zu verhelfen, indem man Reparaturen veranlasste.

Im Zeitraum zwischen 1635 und 1645 tobte der 30jährige Krieg zwar weiter, doch blieb Süddeutschland damals weitestgehend davon verschont. Dies zeichnet sich wiederum auch in den Rechnungsbüchern ab. Die herrschaftlichen Einnahmen stiegen innerhalb von fünf Jahren um das doppelte an und verblieben auch in den folgenden fünf Jahren demselben Niveau.

 

Das letzte Aufflackern des Krieges 1646/47

"Im Herbst und Winter 1646/47 kehrten noch einmal die Schrecken des 30jährigen Krieges in die Region um Mindelheim zurück. Im Oktober 1646 hielten sich viele Flüchtlinge in der Stadt Mindelheim auf, als die Schweden abermals anrückten und die Übergabe der Stadt erzwangen. Zwar konnten die Bayern Mindelheim kurzfristig zurückerobern, doch schon im Dezember 1646 hatten die Schweden erneut die Stadt besetzt und hielten dort ihr Winterquartier bis Ende März 1647. Eine wahre Schreckensherrschaft verbreiteten durchziehende spanische Truppen, die ohne Rücksicht auf Hoheitszeichen wüteten.

Die Auswirkungen der schwedischen Besatzung und durchziehender spanischer Truppen traten auch in Tussenhausen wieder zutage. Die Zahl der Taufen im Jahr 1647 lag deutlich unter denen der beiden vorausgegangenen Jahre. Der Winter forderte ebenfalls seine Opfer. Drei Menschen starben im Januar, fünf im Februar und weitere zwei im März. Über die Todesursachen schweigen die Pfarrmatrikel. In den übrigen neun Monaten dieses Jahres waren keine weiteren Todesfälle mehr zu verzeichnen.

Auch im wirtschaftlichen Bereich zeigten sich deutliche Auswirkungen. So notierte ein herrschaftlicher Beamter unter der Rubrik ‘Dienstgelder’: Einnahmen in Höhe von 308 Gulden und 44 Kreuzer - Weilen vorm Jahr wegen Kriegsgefahr die Dienstgelder nicht haben gerechnet werden khönden, ist solchs diß Jahr beschehen.

Mehrere Hinweise gibt es darüber, wie die Herrschaft und auch ein Teil der Untertanen versuchten, ihr Vieh vor den anrückenden Soldaten in Schutz zu bringen. In der Spalte ‘Viehverkauf’ waren 78 Gulden als Einnahmen verzeichnet und dann folgende Nebenbemerkung: Item als ich in Martio 1648 in der Flucht mit dem Vich im Allgäu gewesen, zue Fießen 4 Schwein verkhaufft 11 fl 30 x. Item damahlen zu Pfrundten (Pfronten/Allgäu) aus 6 Seulen erlößt 6 fl 36x. Damahlen in der Fasten hat sich im Gebirg ein Khue verfallen, darauf ich außerhalb der Haut erlößt 3 fl." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 103)

"Nach dem Abzug der Soldaten und dem Friedensschluss begann sich das Leben im Dorf schrittweise wieder zu normalisieren. Von den Jahrmärkten im Jahre 1648 fiel nur der an Peter und Paul aus - nicht etwa wegen Kriegshandlungen oder durchziehender Soldaten, sondern schlicht wegen der aufgrund des ublen Regenwetter ausgebliebenen Händler. Seit Weihnachten 1647 gab es wieder Neckarwein und Bier in der Taverne, ja man war sogar schon wieder in der Lage, Bier in die Umgebung zu liefern, wovon ein Teil aus der während des Krieges aufgebauten herrschaftlichen Brauerei kam. Ähnliches galt für den Verkauf von Karpfen und Hechten an den Mindelheimer Hechtwirt Georg Froschmeyer. Auch die herrschaftliche Käserei hatte die Kriegswirren überstanden, arbeitete jedoch bei Kriegsende mit erheblichem Verlust. Der Schweizer Hans Pemb zahlte nahezu 4 Gulden Käsgeld, erhielt aber Lohnzahlungen in Höhe von 26 Gulden. Nicht eindeutig kann die Frage beantwortet werden, ob der hier benutzte Begriff ‘Schweizer’ für die Herkunft des Hans Pemb steht oder nur für dessen Berufsbezeichnung.

Löhne wurden auch an andere Personen gezahlt. So erhielt der Jäger 25 Gulden und weitere 8 Gulden als Abschussprämie, der Untervogt bekam 10 Gulden, der Hirte 28 Gulden und der Gärtner Balthasar Knorren 15 Gulden. Die an der Burg notwendigen Reparaturen wurden ebenfalls schon 1648 in Angriff genommen. Maurer, Zimmermänner, Schmiede, Schlosser, Zinngießer, Schreiner und Glaser erhielten Zahlungen von insgesamt 82 Gulden.

In der herrschaftlichen Landwirtschaft arbeitete man ebenfalls schon wieder. Der Wasenmeister und Mähjungen tauchen in den Rechnungen ebenso auf, wie Zahlungen für Frondienste, dennoch musste man noch alle wichtigen Getreidesorten in größerem Umfang für insgesamt 175 Gulden zukaufen.

Die Armut der Bevölkerung kommt in zwei weiteren Rubriken des Rechnungsbuches von 1648 zum Tragen. Dort verzeichnete die Herrschaft Ausgaben für Almosen in Höhe von 23 Gulden und Schenkungen im Wert von 10 Gulden." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 104)

 

Der Wiederaufbau nach 1648

Nach dem Krieg galt das Hauptinteresse der Inhaber von Tussenhausen, inzwischen die Familie Blarer von Wartensee, dem Wiederaufbau ihrer Herrschaft.

"Aufschluss über die Bevölkerungssituation der Herrschaft Angelberg gibt das Urbar, also die Besitzaufzeichnung, aus dem Jahre 1653. Acht Jahre nach dem Krieg lassen sich noch deutliche Spuren der Zerstörung im Markt Tussenhausen erkennen. Zwar waren alle alten Höfe noch intakt, doch 19 Sölden, d.h. 23 % dieser Gebäude, waren verlassen. Teilweise hatte man sie wegen ihres schlechten Zustandes abgebrochen, teilweise waren sie eingefallen oder während des Schwedischen Krieges abgebrannt.

Eine gezielte Ansiedlung von Menschen aus Tirol und Vorarlberg, d.h. aus Regionen mit Überbevölkerung, wie es beispielsweise in den benachbarten Fuggreischen Herrschaften gefördert wurde, ist seitens der Angelberger Herrschaft ist nicht erkennbar." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 104f)

Zwölf Jahre später, im Jahr 1666, waren sieben von acht Bauernhöfen besetzt, die Nutzfläche eines noch öd stehenden Hofes wurde dennoch bearbeitet. Auch in den Besitzverhältnissen der Sölden sind deutliche Verschiebungen zugunsten einer optimalen Nutzung zu beobachten.

Eine Stiftung, die von den mehreren Adeligen im Jahre 1660 eingerichtet worden war, sollte sich in der Zukunft als überaus wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung des Marktes Tussenhausen erweisen: die Rosenkranzbruderschaft. Ihr Stiftungskapital betrug bei der Gründung das dreifache der Jahreseinnahmen der gesamten Herrschaft Angelberg und setzte sich vor allem aus Äckern des ehemaligen herrschaftlichen Besitzes zusammen.

 

Tussenhausen unter bayerischer Herrschaft

Vor- und Nachteile für die wirtschaftliche Entwicklung brachte der Verkauf der Herrschaft Angelberg von dem Nachfahren der Familie Blarer von Wartensee, Kaspar Marquart Zinth von Kenzingen, an das Haus Wittelsbach. Die Nachteile bestanden darin, dass die Feste oberhalb von Angelberg ihre Funktion als Residenz verlor. Damit ging nicht nur ein Prestigeverlust einher, sondern auch der Verlust einer Wirtschaftskraft für die Handwerker. Ihre kunsthandwerklichen und handwerklichen Fertigkeiten, um einen repräsentativen Wohnsitz zu erhalten, wurden von den nun dort wohnenden bayerischen Verwaltern nicht im selben Umfang benötigt. Dadurch gingen die Einnahmen der Handwerker in erheblichem Maße zurück.

Des weiteren musste sich Tussenhausen an der Finanzierung der Großmachträume des bayerischen Kurfürst Maximilian Emanuel, besser bekannt als der Blaue Kurfürst, durch höhere Abgaben als bisher beteiligen. Dies bedeutete konkret für Tussenhausen, dass es zwischen 1689 und 1698 und noch einmal zwischen 1706 und 1714 Kontributionen, also Beiträge zur Kriegskasse des Kurfürsten leisten musste.

1698 kaufte der Onkel des bayerischen Kurfürsten, Herzog Maximilian Philipp die Herrschaft Angelberg. Diesen Umstand nutzten die Tussenhausener Handwerker, um sich neue Absatzmärkte zu erschließen. Dazu benötigten sie dieselben Standards in ihrer Ausbildung, wie sich auch in anderen bayerischen Gebieten üblich waren. Diese Standards wurden in den beiden 1699 erlassenen Zunftbriefen festgehalten.

"Für jedes der einzelnen Handwerke wurden die Voraussetzungen, um eine Meisterprüfung abzulegen und eine Meisterstelle antreten zu können, festgelegt. Jeder Kandidat musste von ehelicher Geburt sein, einen guten Leumund besitzen, drei Lehrjahre bei einem Meister erfolgreich und mit Zeugnis absolviert haben und drei weitere Jahre als Geselle auf Wanderschaft verbracht haben.

Derjenige Geselle, der nun die Meisterprüfung ablegen wollte, meldete sich beim Zunftmeister an, der dem Prüfling einen Meister oder eine Werkstatt zuwies. Dort musste das Meisterstück erarbeitet werden. Für die Prüfung selbst war eine Gebühr zu entrichten. Dann erfolgte die Beurteilung durch vereidigte Sachverständige. Fiel der Kandidat durch die Prüfung, konnte er sie so oft als nötig wiederholen, jedoch frühestens nach einem halben Jahr. Bestand der Kandidat, zahlte er seinen Prüfern eine Mahlzeit und hinterlegte eine Geldsumme in der Handwerkerkasse. Danach war der junge Meister berechtigt, sich - mit Genehmigung - in der Herrschaft niederzulassen und selbst einen Lehrjungen aufzunehmen. Die Anforderungen, die an die jeweiligen Meister gestellt wurden, sind in den Ordnungen detailliert festgelegt." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 117)

An Stelle der Residenzinhaber trat nun ein anderer Auftraggeber - die Kirche, oder besser gesagt die Rosenkranzbruderschaft. Das gesamte 18. Jahrhundert hindurch konnte diese Institution, vertreten durch den Pfarrer und zwei Kirchenpfleger, den einheimischen Handwerkern lukrative Aufträge verschaffen. Auf diese Weise entstanden die heutige Barockausstattung der Martins-Kirche und die Mutter-Gottes-Kapelle.

Ein weiteres Mal wirkten sich im Markt Tussenhausen die Folgen eines von Bayern ausgehenden Krieges aus. 1745 starb Kurfürst Karl Albrecht. Seine Ansprüche auf den Kaiserthron hatten den österreichischen Erbfolgekrieg ausgelöst. Bei seinem Tode "hinterließ er 32 Millionen Gulden Staatsschulden. Zudem standen damals österreichische Truppen in der Oberpfalz, die sich zum Angriff auf Ober- und Niederbayern rüsteten und Mitte April bis Landshut und Pfaffenhofen vorgedrungen waren.

Seinem Sohn, Kurfürst Max III. Joseph, blieb nur die Kapitulation im Frieden von Füssen am 22. April 1745. Sowohl die Staatsschulden, als auch die Bedürfnisse des Staates nach einer effizienten Verwaltung erzwangen die Entflechtung der einzelnen Regierungsressorts, eine Zentralisation und eine drastische Vereinfachung auf allen Ebenen der Staatsverwaltung.

Diese Vorgänge lassen sich auch in der Herrschaft Angelberg ablesen. Zwischen 1689 und 1745

hatten der jeweils amtierende bayerische Verwalter auf der Burg oberhalb von Tussenhausen gelebt und gearbeitet. Dieser Zustand änderte sich 1746, als das Kurfürstliche Pflegamt Tussenhausen aufgelöst und die Verwaltung der Herrschaft Angelberg von Türkheim, dem Amtsmittelpunkt der Herrschaft Schwabegg, aus erfolgte.

Hatte Tussenhausen mit dem Verkauf der Herrschaft Angelberg an den Wittelsbacher Kurfürsten Max Emanuel seine mindestens 487 Jahre andauernde Funktion als Residenzort eingebüßt, so verlor es mit der Verwaltungsreform auch die gerade einmal 67jährige Funktion eines Verwaltungszentrums und besaß in der Mitte des 18. Jahrhunderts nur noch die Funktion eines einfachen Marktes.

Augenfällig wurde diese Zurückstufung mit dem Abbruch der Burg auf dem Angelberg, als das Pflegamt Türkheim 1749 darauf drang, die baufällig gewordenen Wohngebäude abreisen zu lassen. Die abgetragenen Steine wurden im Neubau des Bräuhauses in Mattsies und in etlichen Häusern in Ettringen und Tussenhausen wiederverwendet. Zehn Jahre später war der größte Teil der ursprünglichen Burggebäude verschwunden, nur noch die Brücke und der Turm erinnerten an die Glanzzeiten des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Die Wirtschaftsgebäude blieben dank einiger Tussenhausener Bürger, die diese - darunter die sogenannte Schweizerei - zusammen übernommen hatten, als Einheit erhalten." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 133)

 

Die Wirtschaftskrise von 1770

Für die nächste Wirtschaftskrise zu Beginn der 1770er Jahre war das damals herrschende Wetter verantwortlich. "Nasskalte Witterung war die Ursache für den Ausfall der Getreide-, Gemüse-, Obst- und Heuernte zwischen 1769 und 1773 gewesen. Aus diesem Grunde stiegen die Getreidepreise in ganz Mitteleuropa rasant an und verblieben in den Jahren 1770 bis 1772 auf hohem Niveau. In der Folge waren in den betroffenen Gebieten eine größere Anzahl an Toten als sonst üblich in den Pfarrbüchern zu verzeichnen.

Das für ganz Mitteleuropa gültige Phänomen lässt sich auch in Tussenhausen nachweisen. In den Sterbebüchern der Pfarrei sind die einzelnen Toten verzeichnet. Betrachtet man die Anzahl der Verstorbenen im Zweitraum zwischen 1765 und 1775 so bewegt sich diese zwischen 5 und 10 Todesfällen. Außergewöhnlich hoch sind jedoch die Zahlen für die Jahre 1766 mit 18 Toten, 1772 mit 38 Toten und 1773 mit 15 Toten. Die hervorstechend hohe Zahl von 38 Toten im Jahre 1772 kommentierte der damalige Pfarrer in den historischen Notizen zu den Pfarrbüchern als eine unter den Dorfbewohnern ausgebrochene Epidemie." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 133)

Als Gegenmaßnahme wurde damals vor allem der Anbau von Kartoffeln favorisiert. Auch innerhalb des Ortes Tussenhausen war man zu dieser Maßnahme bereit, wie der Brief von Tussenhausener Söldnern an das Türkheimer Pfleggericht zeigt: "In annis 1770, 71 et 72, da die uberteure Zeiten eingerissen, haben wir so grossen Hunger und Notz gelitten, daß wenn die götliche Allmacht uns nicht sonderbar gestärket hätte, solche Trangsaal ertragen zu können, wir allesamt verschmachten hätten müssen; dahero resolvierten wir uns (wie andere benachbarte Ortschaften gethon) einige uncultivierte Gemeindsplätze randig und tragbar zumachen, worauf wir Erdäpfel, derley Bieren und Kraut zuerbauen im Stande wären." (Ortsgeschichte Tussenhausen, 135)

Doch dazu mussten erst einmal ein besonderes Anbaugebiet ausgewiesen werden. Das Verfahren zog sich zwar aufgrund einiger Einsprüche solange hin, bis die herrschaftliche Verwaltung in Mindelheim die Lage und Größe der mehr als 50 Parzellen festgelegt und dann verteilt hatte. Diese Parzellen sind deutlich im 1. Katasterplan von Tussenhausen aus dem Jahre 1817 zu erkennen.

 

Das 19. und 20. Jahrhundert

Einen deutlichen Aufschwung konnte die Wirtschaft von Tussenhausen nach 1848 nehmen. Der Grund hierfür lag darin, dass die auf den Äckern und Wiesen liegenden Zehnten in Form einer festgelegten Summe abgelöst wurden. Diese festgelegte Summe wurde an den Staat bezahlt und dieser gab einen Teil davon an den alten Zehninhaber, die Pfarrei und in viel höherem Maße die Rosenkranzbruderschaft, wieder zurück.

Für den einzelnen Einwohner von Tussenhausen hatte dieses neue Verfahren den Vorteil, dass er nun einen festen Fixpunkt hatte, mit dem er rechnen konnte, bzw. mit den freigewordenen Mitteln, die er investieren konnte. Nicht anders verhielten sich die Tussenhausener Pfarrer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, als sie in Aktien investierten und damit für die Kirche eine große Menge Geld gewannen. Doch auch die Aufgeschlossenheit dieser Pfarrer gegenüber Finanzgeschäften trug in Tussenhausen dazu bei, dass sich im Markt interessante Neuerungen durchsetzten: zuerst die Raiffeisenkasse (1888), später die Molkereigenossenschaft (1907) und dann wieder die Genossenschaft zur Entwässerung des Moores (1933).

Auch die Zeit nach dem 2. Weltkrieg verstand man es im Markt, sich den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen, indem sich der jahrhundertelang landwirtschaftlich geprägte Markt modernen Industriebetrieben öffnete.

Um die eigene Identität im Ort nicht zu verlieren und dadurch für die Anforderung der Zukunft gerüstet zu sein, bemühte man sich um die Aufnahme in das Projekt "Dorferneuerung" und konnte sich auch hier durchsetzen.

 

Fazit

Auch wenn in den alten Urkunden oftmals die modernen Schlagwörter, die das gegenwärtige Wirtschaftsgeschehen prägen, fehlen, so sind die Indizien, die diese Schlagwörter kennzeichnen, doch in den einzelnen Jahrhunderten offensichtlich vorhanden.

  • Qualität der Ausbildung: Nachgewiesen in den Zunftbestimmungen anhand der Vorraussetzungen für einen Meisterstatus.
  • Absatzförderung: deutlich erkennbar anhand von 2 Marktprivilegien
  • Arbeitsplatzsicherung durch Investitionen und Subventionen: Aufträge der Herrschaft während des 30jährigen Krieges zur Versorgung der Untertanen, Aufträge der Kirche für das spezialisierte Handwerk
  • Anpassung an die Erfordernisse der jeweiligen Epochen: v.a. in den letzten 50 Jahren

Das Thema Wirtschaft spielte und spielt in der Geschichte des Marktes Tussenhausen eine wichtige Rolle und wurde daher in der Ortsgeschichte entsprechend berücksichtigt. Gerade anhand dieses Thema lässt sich also zeigen, dass Geschichte - egal in welchem räumlichen Rahmen betrachtet - nicht einfach nur die Darstellung und Kenntnis von Vergangenem ist, sondern durchaus Hinweise für die Gegenwart und Zukunft enthalten kann.

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